Ein Spielzimmer für erwachsene Kinder

Als die Inhaber Brandl und Golbeck vor ziemlich genau 20 Jahren ihren Laden in der Müllerstraße 39 eröffneten, bekamen sie das massive Stück von einem Schrotthändler aus der Oberpfalz. Da der Lok die Räder fehlten, bekam sie kurzerhand ihren Platz auf dem Nasenschild. Ein paar Jahre danach brachte der Postbote eines Tages die Post direkt in den Laden und sagte: "Ihr habt meine Lok auf eurem Schild. Die habe ich mal gebaut." Er hatte sie einem Freund zum Einlagern gegeben und beide aus den Augen verloren. Bei den Rädern habe der Maßstab nicht gestimmt, und so sei sie ohne geblieben. Die Befürchtung der Ladeninhaber, der Postbote wolle seine Lok wiederhaben, war unbegründet: Er freute sich über die schöne Verwendung seines Werkes.

Hat man die alte Ladentür dann hinter sich geschlossen, steht einem der staunende Mund offen: Man fühlt sich wie in einem riesigen Spielzimmer mit alten Modelleisenbahnen, Spielzeugautos, Schiffen, Flugzeugen und einer unüberschaubaren Menge an nostalgischem Kleinspielzeug. Es riecht nach Spielen, nicht nach nüchternem Geschäft. Das liegt sicher daran, daß beide Inhaber private Sammler waren und sind und ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Herr Golbeck meint denn auch: "So einen Laden macht man nicht, wenn man keinen Bezug dazu hat."

SpielART ist ein Laden der aussterbenden Art: Hier kann man fachsimpeln und wird - vor allem in Sachen Modelleisenbahn - fundiert beraten. Nachdem es fast nur noch die großen Kaufhäuser und Spielwarenketten gibt, hat der Normalverbraucher bei ganz simplen Fragen ein Problem: Wie schließe ich ein Signal an? Wie mache ich den zweiten Stromkreis? Wie fahre ich mit mehreren Trafos oder auch digital? Herr Golbeck kann helfen: Seine Passion ist die Märklin-Eisenbahn.

Die Kundschaft von SpielART sind - keine Kinder, sondern vor allem Männer reiferer Jahrgänge, die sammeln, was sie aus ihrer Kindheit kennen, schon mal hatten oder immer gerne gehabt hätten. Und jetzt, nach 20, 30 oder mehr Jahren erfüllen sie sich ihre Träume. Herr Golbeck erlebt öfters, daß Kunden ihr erstes Auto, das sie jemals fuhren, nun als Modell haben möchten. Klassiker sind hier das James-Bond-Auto, das Batman-Auto oder das Märklin-Krokodil - das kannte früher jeder, und das kauft man sich heute.

Woher stammen die Sammlerstücke? Zum einen werden SpielART fast täglich Sachen von Privatleuten angeboten. Zum anderen haben sich die Inhaber in den Jahren ein Netzwerk mit Haushaltsauflösern geschaffen, die mit Umzugskisten kommen. Dann wird reingeschaut und verhandelt. Manchmal kommen auch Sammler, die tauschen oder verkaufen wollen.
SpielART ist ein reiner Second-Hand-Händler. Komplette Neueinsteiger in Sachen Modelleisenbahn verweist Herr Golbeck lieber an den Spielwarenhandel, um dort nach einer Beratung eine Startpackung zu kaufen. Ergänzungsstücke bietet dann SpielArt. Denn Fairness ist, so Herr Golbeck, ein Grundprinzip: "Bis ich ein Startpaket hier zusammenstelle, kommt das die Leute nicht günstiger, selbst wenn ich es runterrechne." Als Second Hand-Händler kommt man nicht an Ersatzteile ran. Umfangreiche Reparaturen kann SpielART daher nicht vornehmen, aber: "Wenn jemand seine Eisenbahn nach 30 Jahren vom Speicher holt und die macht komische Geräusche, dann schau ich mir das gerne an und lasse sie auf einer Teststrecke laufen." Herr Golbeck berät dann und verweist den Kunden auf das Internet, welche Teile er bestellen soll und hilft beim Einbau. Meistens fehlt jedoch nur der berühmte Tropfen Öl an der richtigen Stelle.

Als SpielART eröffnete, gab es den Internethandel noch nicht. Inhaber Golbeck sieht ihn mit einem weinenden und einem lachenden Auge: Generell sind die Preise für Sammlerstücke gesunken, auch wenn für manche Stücke mittlerweile Preise bezahlt werden, von denen man früher geträumt hat. Und wie wohl mittlerweile fast alle Ladengeschäfte sieht auch SpielART sich bisweilen der Schnäppchen-Mentalität gegenüber, wenn Kunden sagen, diese und jene Lok bekäme er bei ebay aber billiger. Aber oberstes Gebot bei SpielART ist nicht der Anspruch, immer und bei allem der Billigste zu sein. Es geht um Fairness - bei An- und Verkauf. Im Zweifelsfall wird der Verkaufswillige auf den Flohmarkt verwiesen, weil er dort für seine 0815-Eisenbahn mehr bekommt. Und sollte ein sammlerisches Highlight dabei sein, so kann auch der Laie sicher sein, einen guten Preis zu bekommen.
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